Smugglarkungens son von Bengt Pohjanen

Das Tornedalen ist Bengt Pohjanens kleines Universum, so wie der Mississippi es für Faulkner war. Mit einem beinahe lateinamerikanischen Hang zur Phantasie schildert sein Roman „Smugglarkungens son“ teils bizarre Gestalten am äußersten Rand Schwedens. Pohjanens Autorenschaft ist eine der virtuosesten und eigenständigsten die Schweden zur Zeit zu bieten hat.

Vor kurzem habe ich einen Artikel mit dem Titel „Unterwegs im südlichen Tornedalen“ gebloggt und dort auch kurz Bengt Pohjanen angesprochen. In diesem Artikel möchte ich seinen wohl bekanntesten und erfolgreichsten Roman vorstellen.

Das Buch wurde vom Verlag als eine autobiographische Erzählung präsentiert. Und sicherlich stimmt das auch bis zu einem gewissen Grad. Andererseits handelt es sich auch um einen „pohjanesken“ Schelmenroman mit Motiven und Gestalten die man aus früheren Büchern des Autors wiedererkennt. Pohjanen erzählt die Geschichte des kleinen Bengt von seiner Geburt bis zu den Anfängen seiner Schulzeit.

Das Tornedalen und seine Bewohner wurden nach dem Krieg im Jahr 1809 zwischen Schweden und dem dann russischen Fürstentum Finnland aufgeteilt und konnten auf schwedischer Seite ein von den Obrigkeiten in Stockholm relativ unbeachtetes und daher selbstständiges Leben führen. Einzig der Vertreter der schwedischen Krone samt der Polizei versuchte die unbändigen Einwohner des Tornedales zu überwachen. Was in einer Region in der die Staatsmacht nur Schwedisch spricht, die Untertanen aber eine Sprache die eher dem finnischen zuzuordnen und mit etlichen schwedischen Lehnwörtern versehen ist (später kreierte Pohjanen den Begriff Meänkieli dafür. Heute ist Meänkieli eine der offiziellen Amtssprachen Schwedens), gar nicht so einfach gewesen sein kann.

Als Bengt am 26. Juni 1944 das Licht der Welt erblickte, war die Welt in seinem Umfeld merkwürdigerweise wenig berührt vom Irrsinn der in den letzten fünf Jahren Europa und den Rest der Welt erfasst hatte.

Bengt ist der Sohn des Schmugglerkönigs Otto. Der Schmuggel zwischen Schweden und Finnland war lange, bis in die moderne Zeit hinein, eine lukrative Beschäftigung. Wenn es eng wurde und die Polizei einem auf den Pelz rückte, konnte man sich durch Bestechung mit der härtesten Währung die Nordschweden zur Verfügung hatte, dem selbstgebrannten Alkohol, freikaufen.

Um es dem Leser einfacher zu machen, ist Bengt bereits kurz nach seiner Geburt in der Lage zu sprechen, zu gehen und seine Umwelt kritisch reflektierend wahrzunehmen (die Grass´sche Blechtrommel lässt grüssen).

Wobei überhaupt die Sprache und die Herkunft eine bedeutsame Rolle in diesem Metaroman spielen. Ein Roman in dem es unter anderem darum geht, wie man lernt eine Sprache zu beherrschen, Erzählungen und Geschichten in dieser Sprache zu deuten und sich in unterschiedlichen Sprachen und Lebensumfeldern zu bewegen. Eben der oben bereits angesprochenen Staatssprache und derjenigen der ortsansässigen Bevölkerung.

Aber es geht nicht nur um sprachliche Barrieren. Das nördliche Schweden trennt auch die Zugehörigkeit zu einer anderen Gesellschaft oder genauer gesagt einer anderen Klasse vom südlichen Schweden. Ebenso wie die Religion hier kein verbindendes Element darstellt. Die Oberklasse und ihre Vertreter in Nordschweden sind lutheranisch geprägt. Die Einheimischen gehören statt dessen in großen Teilen der Erweckungsbewegung des Laestadianismus und später der Korpelabewegung an. Beide Bewegungen wurden von der Regierung mit Argusaugen überwacht und im Falle der Korpelabewegung führte dies zu einem Gerichtsverfahren Ende der 1930er Jahre, das mit der anschließenden Zerschlagung dieser Bewegung endete.

Alle diese Motive tauchen in den Büchern Pohjanens immer wieder auf, sind sozusagen sein zentrales Thema. Vor allem aber sind sie Teil einer fabelhaften Geschichte, die mich immer wieder an die großen Autoren Südamerikas erinnert, die es einem Mitteleuropäisch und technokratisch geprägten Menschen so schwer macht zu verstehen, dass es den Unterschied zwischen Realität und Fantasie in der Welt der Literatur und auch des wirklichen Lebens nicht gibt. Dass das eine das andere nicht ausschließt. Und so hat das Buch seine größten Stärken wenn es Pohjanen gelingt die Anordnung aus originellen, absurden und bizarren Charaktären vor dem Leser, der Leserin auszubreiten. Es sind unglaublich lustige und anrührende Geschichten, die mit den Augen eines Kindes, das aber die Sprache der Erwachsenen beherrscht, erzählt werden.

Bengt Pohjanen ist einer der eigenständigsten Schriftsteller Schwedens. Vielleicht auch deshalb, weil seine Geschichten nicht aus dem großstädtischen Stockholm stammen. Nicht aus einer Region die für Aussenstehende noch als, halt ein wenig nördlicherer Teil, Mitteleuropas begriffen werden kann. Weil das Leben so weit im Norden des Kontinents anderen Gesetzmäßigkeiten folgt als es weiter südlich der Fall ist.

Beim schwedischen Onlinehändler Bokus gibt es das Buch in Papierform: http://www.bokus.com/bok/9789113039480/smugglarkungens-son/

Adlibris Mondo liefert die E-Book-Variante: https://www.adlibris.com/mondo/e-bok/smugglarkungens-son-9789113029016

Eine deutschsprachige Übersetzung des Buches existiert bis heute leider nicht.


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